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Förderung der Muttersprache

Warum ist es wichtig für das Kind und für die ganze Familie, die im Ausland lebt, dass die Muttersprache der Eltern zu Hause gepflegt wird?

Viele ausländische Eltern, die seit einiger Zeit in Deutschland leben, fragen sich irgendwann, in welcher Sprache sie mit ihren Kindern sprechen sollen, ob sie ihnen die eigene Muttersprache beibringen und wie sie mit der sprachlichen Erziehung vorgehen sollen. Das Hauptproblem ist die Kommunikation der Eltern mit den Kindern zu Hause und außerhalb der Wohnung. Die Eltern fühlen sich verpflichtet, den Kindern über die eigene Herkunft zu berichten und dabei die eigene Muttersprache zu pflegen. Andererseits sollen die Kinder doch schnell die deutsche Sprache lernen. Die Eltern möchten ihren Kindern dabei helfen, aber sie selbst sprechen nicht gut genug Deutsch, um es den Kindern beizubringen. Die Familien leben in ständigem Konflikt mit sich selbst, weil sie nicht sicher sind, ob sie das Richtige tun.

 

In den einsprachigen Familien, das heißt, in solchen, wo beide Elternteile die gleiche (nicht deutsche Sprache) sprechen, unterhalten sich fast immer alle Familienmitglieder in dieser Sprache und alle beherrschen diese perfekt. Aber wann und wo lernen die Kinder Deutsch? Eine Sprache, die sie hierzulande zum Leben brauchen, damit sie ohne Probleme im Kindergarten oder in der Schule zurechtkommen. Sie sollen leicht Freundschaften mit anderen deutschen Kindern schließen können und sich wohl in dem Land fühlen, wo sie jetzt leben. Auf der anderen Seite sollen sie die Sprache der Eltern kennen, verstehen und mögen.

 Ein anderes Problem der Familienkommunikation trifft man in den Mischehen, wenn beide Elternteile aus zwei verschiedenen Ländern stammen und zwei unterschiedliche Sprachen sprechen. In diesem Fall sollen die Eltern gemeinsam eine Entscheidung treffen, wie sie in der Familie kommunizieren möchten. Für viele ist es aber ein Problem. Sie wissen keinen Rat und kennen niemanden, von dem sie sich beraten lassen könnten und auf dem Markt gibt es wenig Literatur zu diesem Thema.

Während meiner Studien über die zweisprachige Erziehung habe ich von den ausländischen Eltern folgende Fragen gehört:

  • Wie soll ich meinem Kind meine eigene Muttersprache beibringen, wie gehe ich vor, wie mache ich es?
  • Soll mein Kind überhaupt meine eigene Muttersprache lernen?
  • Warum ist es besser, dass ich mit meinem Kind in meiner Muttersprache spreche und nicht auf Deutsch?
  • Wann soll ich anfangen, dem Kind meine Sprache beizubringen?
  • Wird mein Kind nicht überfordert, wenn es gleichzeitig zwei verschiedene Sprachen hört, spricht und lernt?
  • Wo wird mein Kind korrektes Deutsch lernen, wenn ich mit ihm eine andere Sprache spreche als Deutsch?
  • Mein Partner kennt meine Muttersprache nicht. Wird er sich nicht ausgeschlossen fühlen, wenn ich mit dem Kind spreche und mein Mann es nicht verstehen wird, was ich zu unserem Kind sage?
  • Wie reagiere ich, wenn mich jemand auf der Straße unangenehm anspricht und fragt, warum ich mit dem Kind eine andere Sprache spreche als Deutsch?

All diese Fragen habe ich mir auch vor 8 Jahren gestellt. Meine zwei Töchter (Anja 11 und Julia 9) erziehe ich zusammen mit meinem deutschen Mann zweisprachig, das heißt Polnisch und Deutsch. In dieser langen Zeit der sprachlichen Erziehung habe ich viele Schwierigkeiten erlebt und bin auf unterschiedliche Probleme gestoßen, die sehr viel mit den oben genannten Fragen zu tun haben. Trotzdem halte ich meine Entscheidung konsequent durch. Heute kann ich aus meiner Erfahrung sprechen und möchte Sie ermutigen, diese Herausforderung der zweisprachigen Erziehung auch anzunehmen. 
 

Versuchen Sie es auf jeden Fall! Geben Sie dem Kind die Chance, ihre Herkunftssprache kennen zu lernen. Geben Sie ihm die Möglichkeit, sich die Kultur und Tradition Ihrer Heimat zu erschließen. Geben Sie Ihrem Kind die Grundbasis der Sprache, vor allem Aussprache, Akzent und die Sprachmelodie weiter. Ob Ihr Kind es später zu schätzen wissen und die Sprache verwenden wird, bleibt ungewiss, aber Sie als Eltern haben ihm den sprachlichen Grundstein gelegt.
 

Zu der Sprache gehören nicht nur Wörter und Sätze, sondern auch Gefühle, die man aussprechen möchte, der tägliche Umgang der ganzen Familie miteinander, das Verbringen von Feiertagen und die gemeinsam erlebten Freuden. Zweisprachige Erwachsene, wenn sie nach den Vorteilen der Zweisprachigkeit gefragt werden, unterstreichen diese o.g. Werte, die sie während der Erziehung von den Eltern mitbekommen haben. Frühe zweisprachige Erziehung bietet den Kindern die Möglichkeit, eine akzentfreie Aussprache und korrekte Sprachmelodie in beiden Sprachen zu bekommen.

Ein anderer Vorteil der Mehrsprachigkeit ist, dass die Kinder mit Leichtigkeit andere Fremdsprachen lernen. Zweisprachige Kinder berichten, dass sie in zwei Sprachen, in zwei Kulturen und in zwei Welten leben würden, in denen sie sich gleichzeitig sehr wohl fühlen. Sie besitzen die Fähigkeit, Kontakte mit Gleichaltrigen schnell und einfach zu schließen. Man sagt, dass sie sehr anpassungsfähig sind, weil sie in ihrem Leben den Wohnplatz und die Freunde oft wechseln mussten. Sie sind gewöhnt, sich überall wohl zu fühlen.

Bilinguale Kinder erleben bewusst ihre Zweisprachigkeit, vergleichen häufig die beiden Sprachen untereinander, sind sehr tolerant zu Personen, die diese Sprachen erst erlernen. Mehrsprachige Kinder werden oft von fremden Menschen und auch von Bekannten oder Familienfreunden für ihr Sprachpotenzial bewundert, was sehr positiv die Entwicklung der Wertgefühle beeinflusst. Dadurch bekommen die Kinder mehr Lust, neue Sachen zu lernen und sich weiter sprachlich zu vervollkommnen.

Damit der Prozess des Erlernens von beiden Sprachen korrekt stattfinden kann, soll man während der sprachlichen Erziehung ein paar Regeln beachten.

I.      Das Sprachprinzip. Wie sollen die Familienmitglieder miteinander kommunizieren?

Beide Eltern sollen gemeinsam entscheiden, am besten kurz vor der Geburt, wer mit wem, wann und wie mit dem Kind sprechen wird. 


In einer Mischfamilie, dass heißt, in einer solchen, wo beide Elternteile mit ihren Kindern zwei verschiede Sprachen sprechen, ist es ratsam, nach dem Prinzip "eine Person, eine Sprache" zu kommunizieren. Die Mutter spricht mit dem Kind immer und nur in ihrer Muttersprache und der Vater nur in seiner „Vatersprache“. Gleichzeitig erwarten die Eltern von dem Kind eine Antwort in dieser Sprache, in der sie sich an es gewendet haben. Bei der Kommunikation gibt es eine enge Trennung nach der Sprache und nach der Person, die über diese Sprache verfügt.


Vorteile dieses Vorgehens: 

Bei dieser Methode weiß das Kind von Anfang an, in welcher Sprache es sich an wen wenden soll. Wie es mit der Mutter sprechen soll und wie es sich an den Vater wenden muss. Bei einem längeren Gespräch mit einer Person behält das Kind automatisch diese eine Sprache. Es schaltet aber sofort auf eine andere um, wenn eine neue Person erscheint, die die zweite Sprache spricht.

Bei monolingualen oder einsprachigen Familien, dass heißt bei solchen, wo beide Elternteile die gleiche Sprache sprechen, ist es gut nach dem Prinzip „Familiensprache und Umgebungssprache“ zu kommunizieren. Das heißt, die ganze Familie spricht zu Hause nur die Muttersprache der Eltern. Die andere Sprache, z. B. Deutsch, lernen die Kinder von der Umgebung durch den Kontakt mit Gleichaltrigen auf dem Spielplatz, mit der Erzieherin im Kindergarten oder den Kindern und der Lehrerin in der Schule.  

Das Kind erkennt und trennt bewusst die zwei Sprachen voneinander. Es erlernt Deutsch vielleicht ein bisschen später, aber dafür korrekter! Es lernt von seiner deutschen Umgebung eine akzentfreie Aussprache, hört grammatikalisch richtige Sätze und verwendet beim Sprechen passende Redewendungen.

II.      Sprachmischungen als Ausdruck einer fehlenden Sprachdisziplin bei den Eltern

Es kommt sehr oft zu automatischen oder unbewussten Sprachmischungen, wenn die Eltern sich nicht bemühen oder selbst in ihren Äußerungen vergessen, die beiden Sprachen voneinander zu trennen.

Man kann zweierlei Sprachmischungen beobachten. In erster Linie unterhält sich eine Person im Prinzip in einer bestimmten Sprache, aber oft fügt sie unbewusst in ihren Aussagen fremde Wörter oder sogar ganze Redewendungen ein. Von anderen Sprachmischungen spricht man, wenn eine Person abwechselnd ganze Sätze aus zwei verschiedenen Sprachen verwendet. Ein Satz wird z. B. auf Spanisch gesagt, der nächste wieder auf Deutsch.

Viele ausländische Eltern möchten ihren Kindern helfen, die deutsche Sprache schneller und leichter zu beherrschen und fangen an, sich an sie in Deutsch zu wenden. Leider ist es oft nicht immer grammatikalisch korrekt. Die Eltern merken oft und immer wieder die gleichen Fehler und haben manchmal eine falsche Aussprache. Die Kinder hören regelmäßig diese fehlerhaften Aussagen, merken sie sich und geben sie bei Gesprächen mit Gleichaltrigen weiter. Sie lernen von ihren Eltern falsches Deutsch. Bei kleinen Kindern ist das Sprachgefühl noch nicht so weit entwickelt, dass sie richtige Sätze von schlechten unterscheiden können. Sie benutzen diese unkritisch, weil sie sie öfters hören.

Entstehende Probleme bei der Sprachmischung:

  • Kinder, die häufig sprachvermischte Sätze von ihren Eltern hören, haben ein Problem die beiden Sprachen voneinander zu unterscheiden.
  • Weil sie nicht imstande sind zu erkennen, was richtig und was falsch ist, bilden sie unkorrekte Sätze. Sie verwenden keine Sprache richtig, weil es nämlich in ihrem Bewusstsein nur eine Sprache gibt.
  • Die Kinder werden oft von den Spielkameraden missverstanden.
  • Das Vorbild der exakten Muttersprache geht verloren.
  • Die Kinder haben Probleme, ein Selbstwissen (Selbsterkenntnis) von der Sprachtrennung zu entwickeln.
  • Kinder, die eine Mischsprache unbewusst verwenden, stoßen in der Schule auf verschiedene Schwierigkeiten. In den ersten Klassen der Grundschule kommen sie noch zurecht, aber ab der 3. Jahrgangsstufe, wenn sie längere Aufsätze und Schreibformen lernen sollen, treten stilistische Probleme auf. Die Schüler benutzen gleichzeitig Wörter oder ganze Wendungen aus verschiedenen Sprachen, dazu beugen sie sie grammatikalisch unkorrekt und verwenden zusätzlich Endungen aus der anderen Sprache. Sie sehen ihre Fehler nicht und können sie deshalb nicht verbessern.

Aus diesen Gründen ist es sehr wichtig, dass sich die Eltern bemühen, sich konsequent an die Kinder zu wenden, das heißt, immer in einer vorher bestimmten Sprache. Dieser Vorgang ist nicht einfach, da man immer dem Druck der Umgebung widerstehen muss. Um die Sprachtrennung zu unterstützen, soll man sich immer bewusst und mit Interesse an das Kind in dieser konkreten Sprache wenden.

III.      Sprachprestige und kulturelle Vorurteile

Europäische Sprachen haben einen unterschiedlichen sozialen Status. Westliche Sprachen (gerade Englisch und Französisch) genießen ein höheres Sprachprestige als östliche Sprachen. Deswegen schämen sich Osteuropäer bisweilen und wollen nicht als solche erkannt werden. Sie unterhalten sich untereinander auf der Straße oft in Deutsch, um die eigene Muttersprache zu verdrängen oder zu verstecken. Dies praktizieren auch viele Eltern und kommunizieren mit ihren Kindern in der deutschen Sprache. Es ist ratsam, gegen solche Vorurteile zu kämpfen und sich nicht von ihnen beeinflussen zu lassen. Man sollte stolz auf die eigene Muttersprache sein, auf die Tradition und Kunst seines Herkunftslandes. Jede Sprache besitzt ihre eigenen Werte, die man an die Kinder unbedingt weitergeben soll.

Vorteil:

Die Zweisprachigkeit bereichert das Kind im sozialen Leben. Es lernt zwei Kulturen und zwei Welten kennen. Die Herkunftssprache der Eltern bzw. die zweite Sprache des Kindes stärkt seine soziale Wertschätzung. Sie ist die Basis für die Entwicklung seiner Identität.

IV.      Emotionale Zuwendung

Die Sprache ist die Quelle des Denkens, der Gefühle und der Emotionen. Alles, was der Mensch fühlt und denkt, versucht er in der Sprache auszudrücken. Der Wortschatz und die Sprachmelodie ändern sich so, wie sich die Stimmung eines Menschen verändert. Bei der Kindererziehung, wenn sich die Eltern an ihre Kleinen wenden, benutzen sie viele Verniedlichungen und verwenden unbewusst eine Kindersprache. Auf diese Art und Weise zeigen und vermitteln sie ihre Emotionen. Die Eltern bekamen emotionale Zuwendung von ihren Eltern, deswegen können tiefe Gefühle und Zärtlichkeiten dem Kind gegenüber wesentlich besser in der eigenen Muttersprache authentisch weitergegeben werden. Ansonsten klingen sie unnatürlich.

Vorteil:

Wenn die Eltern mit ihrem Kind in der Muttersprache sprechen, helfen sie ihm, die Welt intensiver wahrzunehmen, weil sie selber in der Sprache besser fühlen und das Umfeld erleben.

Eltern, die ohne Angst mit ihren Kindern in der eigenen Muttersprache sprechen, werden zwar von der Umgebung als Ausländer angesehen, lösen aber bei den Zuhörern eine gewisse Bewunderung aus. In dieser Situation erlebt sich das Kind als etwas Besonderes, stärkt dabei sein Selbstbewusstsein, lernt sich selbst und seine Familie kennen und bildet dadurch seine Identität. Es weiß, wer es ist, wer seine Eltern sind und die Vorfahren waren. Es kann sich in seiner Sprache ausdrücken und ihnen zeigen, was es fühlt.

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