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Leidenschaft

Leidenschaftlich bringe ich unseren Kindern meine Muttersprache – Polnisch bei. Gleichzeitig beobachte ich meine Töchter, wie sie von ihrem Vater Deutsch lernen und dadurch parallel mit zwei Sprachen aufwachsen. Der Zweitspracherwerb ist für mich wichtig nicht nur aus der Sicht einer Mutter, sondern viel mehr, weil es ein pädagogisches Phänomen ist.

Es ist sehr interessant zu erleben, wie meine Kinder die beiden Sprachen Deutsch und Polnisch wahrnehmen, sie emotional erfahren und sich mit ihnen identifizieren.

Nachdem meine Kinder vor ein paar Jahren in Deutschland auf die Welt gekommen waren, übertrugen sie mir unbewusst eine sehr wichtige und gleichzeitig schwere Aufgabe. Ich sollte ihnen ganz allein, ohne jegliche Hilfe meine eigene Muttersprache beibringen, außerhalb des Landes, in dem sie von allen gesprochen wird. Meine Kinder sollen in dieser Sprache nicht nur sprechen, sie verstehen, in ihr spielen, polnische Bücher lesen und Briefe an die polnische Oma schreiben. Sie sollen auch in ihr fühlen, lieben und an sie verinnerlichen. All diese Werte und Ideale weiter zu geben war unheimlich schwer für mich. 

Wir sind eine gemischte, zweisprachige und bikulturelle Familie. Diese Situation verlangt von uns eine gewisse Flexibilität. Jeder von uns muss immer wieder lernen, offen auf Wünsche und Erwartungen des anderen zu reagieren aber auch Vieles zu sehen und zu akzeptieren.
 
In der natürlichen Umgebung, z. B. in Deutschland, wird das Kind von überall mit Deutsch überschüttet: durch den Kontakt zu den Eltern und Großeltern, beim Spielen mit anderen Kindern, im Kindergarten und durch das Anschauen von deutschen Filmen im Fernsehen. In unserem Fall verlief dieser Vorgang ganz anders. Der Vater war für die deutsche Sprache verantwortlich und die Mutter, als einzige für die polnische. Die Situation meines Mannes war günstiger als meine, weil wir in Deutschland leben, wo die Sprache überall zu hören ist. Aber in meinem Fall musste ich mich allein darum kümmern, den Kindern meine Herkunftssprache beizubringen. Ich kaufte also bei jedem Polenbesuch polnische Bücher, Videokassetten und CD’s mit Hörspielen und bemühe mich für meine Kinder polnische Spielfreunde zu suchen. 
 
Manche Menschen sind der Meinung, dass es ganz einfach und irgendwie selbstverständlich ist, mit den Kindern auf Polnisch zu kommunizieren. Sie vergessen aber, dass ich nicht mehr in Polen lebe. Sie wissen nicht, dass ich in dem Moment, wenn ich mich meinem Kind zuwende, automatisch als Ausländerin gesehen werde. Dass ich sofort auffalle. Die Menschen sehen einen Fremden, jemanden, der nicht zu dieser Gesellschaft gehört. Ich bin keine anonyme Person mehr, ich bin ein Eindringling, der sich nicht unterordnet.

Es ist gar nicht einfach, mit dem Kind auf Polnisch zu sprechen, wenn man überall Deutsch hört, deutsche Straßenwerbung sieht und selbst manchmal auf Deutsch denkt. In dem Moment, wenn mich meine Kinder etwas auf Polnisch fragen, muss ich umschalten. Ich muss aufhören, Deutsch zu hören (die Außensprache), Deutsch zu sehen (Straßennamen) und bewusst anfangen Polnisch zu denken, damit ich ihnen antworten kann. Es verlangte eine gewisse Fähigkeit, die ich erst in mir erarbeiten musste. Dieser Wechsel wird in der Linguistik als Code-switching oder Sprachwechsel beziechnet.

Viele fremdsprachige Eltern, die in Deutschland leben, fragen sich irgendwann, ob und wie sie ihrem Kind die eigene Muttersprache beibringen sollen und ob das Kind nicht überfordert wird. Es gibt keine eindeutige Antwort, aber ich bin der Meinung, jeder soll es versuchen. Die Eltern sollen auf jeden Fall dem Kind die Chance geben, ihre eigene Sprache, Kultur und Heimat zu erschließen und zu entdecken. Denn damit geben sie ihm die Grundlagen für eine positive Identifikation mit ihrem Ursprungsland.

Durch die Zweisprachigkeit wird der Mensch offener und toleranter für verschiede Neuheiten. Seine Lebenswahrnehmung ist reicher, da er eine Fähigkeit besitzt, über die Einsprachige nicht verfügen. Er sieht die Welt erfüllter, das heißt aus zwei Perspektiven, weil er gelernt hat zwei Kulturen zu verstehen, zu verbinden und in ihnen zu leben.  

Arbeit

Keine Hälfte der Welt kann ohne die andere Hälfte der Welt überleben

Meine Arbeit gehört zu meiner zweiten Leidenschaft. Ich bin Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache, das heißt ich bringe Deutsch fremdsprachigen Menschen bei, die sich entschlossen haben in Deutschland zu wohnen und zu leben. Außerdem unterrichte ich in Abendkursen meine Muttersprache Polnisch. Ich bin sehr glücklich, wenn ich jemandem eine Sprache vermitteln kann. Schon als kleines Mädchen habe ich meinen Puppen Noten gegeben und die Anwesenheitsliste überprüft.

Ich unterrichte Erwachsene und kleine Kinder in der Grundschule. Ich arbeite mit Schülern, die im Laufe des Schuljahres mit ihren Eltern aus der ganzen Welt nach Deutschland kommen. Sie lernen Deutsch als Zweitsprache auf ähnliche Art und Weise, wie sie ihre eigene Muttersprache gelernt haben.

In der ersten Phase des Spracherwerbs hören die Kinder nur zu. Sie nehmen am Unterricht teil, indem sie versuchen das zu verstehen, was der Lehrer zu ihnen sagt und von ihnen verlangt. Langsam fangen sie an zu sprechen. Die extravertierten lernen gern, weil sie Kontakte mit Gleichaltrigen suchen. Sie brauchen Freunde, mit denen sie spielen können. Sie kommunizieren sehr schnell, machen dabei aber viele Fehler.

Andere Kinder, die ruhig und verschlossen sind, beobachten nur, versuchen sich alles zu merken und im Gehirn zu speichern. Sie sind lange stumm, reagieren aber auf die Anweisungen des Lehrers. Erst mit der Zeit, manchmal nach 2 bis 3 Monaten, öffnen sie sich und sagen ganze, korrekte Sätze.

Zu welchem Typ ein Kind gehört hängt von seinem Temperament, seiner Persönlichkeit und Lernmotivation ab. Wie gern ein Kind eine neue Sprache lernt, entscheiden die Fluchterlebnisse, der Grund der Migration, die Einstellung des Kindes zum neuen Wohnort und die Einstellung der Umgebung zu dem Kind.

Die Arbeit mit diesen ausländischen Kindern lehrte mich Respekt vor dem Anderssein. Ich habe die Spontaneität der Kinder, ihre Weltoffenheit und ihre Toleranz gegenüber anderen Kindern in der Klasse sehr lieb gewonnen. Die Kinder fördern sich gegenseitig, weil jedes Kind das gleiche erlebt hat: Angst vor einem neuen Land, Angst davor nicht akzeptiert zu werden und Schwierigkeiten mit dem Erlernen der deutschen Sprache. Aber jedes Kind besitzt eigene Werte. Jedes spricht eine, manchmal auch zwei andere Sprachen, jedes hat ein Wissen über sein Herkunftsland und jedes kennt etwas, was die anderen nicht kennen. Sie unterrichten sich gegenseitig und vermitteln den anderen ihre Offenheit und Lebensfreude. 
 
Ich liebe die Kinder, weil sie mir beigebracht haben, eine stolze Polin zu sein.

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